Die beiden Tempel (5)

Shownotes

Die Zerstörung des ersten Tempels hat einen so tiefen Schmerz in der israelitischen Seele hinterlassen, dass das Trauma über seinen Verlust als mit-konstituierend für das gesamte Judentum gesehen werden kann. Auch wenn der Bau des ersten Tempels nicht zweifelsfrei belegt sein mag, behaupte ich, dass es einen ersten Tempel gegeben haben kann, und dass dieser von David erträumt und von Salomon rund um das Jahr 950 vor unserer Zeitrechnung prachtvoll erbaut worden war. Er wird daher auch der Salomonische Tempel genannt, und er wurde im Jahre 586 v.d.Z., also etwas über 360 Jahre später, von den Babyloniern zerstört, die ihn zusammen mit der heiligen Stadt Jerusalem mehr oder weniger dem Erdboden gleich machten.

Die Zerstörung des Salomonischen Tempels und Jerusalems als Ganzes gehört zu den historisch am besten belegten Ereignissen dieser Zeit. Der babylonische Herrscher Nebukadnezar nahm Jerusalem ein und verbrannte fast die ganze Stadt zu Asche. Im Eindruck dieses Traumas wurde der Hauptteil des »Alten Testaments« geschrieben. Durch eine gemeinsame Erzählung wollte man das jüdische Volk vereint halten, es vor dem Vergessen bewahren, und ihm einen inneren Kern geben, einen Zusammenhalt, der die Diaspora überdauern konnte. Mit Erfolg.

550 v.d.Z. gründete Kyros das persische Reich und sicherte sich die Sympathie der eroberten Völker, indem er ihnen keine Religion vorschrieb, sondern deren angestammten Glauben förderte. So ließ er in Jerusalem den zweiten Tempel bauen. Juden strömten zu Zehntausenden wieder zurück in die Heilige Stadt. Um die Jahreswende zu 515 vor unserer Zeitrechnung – nach 22-jähriger Bauzeit und 70 Jahre nach der Zerstörung des ersten Tempels – war der zweite Tempel, dessen Westmauer man heute noch in Teilen sehen kann, fertig. Es folgten fast 70 relativ friedliche Jahre.

Eine Produktion von Mena-Watch. Der unabhängige Nahost-Thinktank veröffentlicht täglich Nachrichten sowie Analysen und Kommentare renommierter Experten und Autoren zu aktuellen Entwicklungen im Nahen Osten und Nordafrika. Ein Team von Politikwissenschaftlern, Historikern und Autoren garantiert die inhaltliche Substanz und Faktentreue jeder einzelnen Veröffentlichung. Mehr dazu auf mena-watch.com.

Kommentare (1)

Sonja

Vielen Dank. Das sind viele Informationen. Schön, dass ich es hören durfte. Viele

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.